Zielort: Beirut

Unser Zielort verdient eine besondere Behandlung, denn Beirut ist ein besonderer Ort. Von Damaskus kommend fährt man gewissermaßen aus dem Nahen Osten wieder hinein nach Europa. Die Stadt klettert die Berge hinauf, breite Boulevards, Hochhäuser, Banken und Geschäfte prägen das ‚Paris des Nahen Ostens’. Ich weiß nicht, wer diesen Begriff geprägt hat, aber ich kann an Beirut weißgott nichts finden, was mich an Paris erinnern würde. Wenn schon so ein vergleich, dann eher die Toskana. Einige wenige ältere Häuser, die nicht in den vielen Kriegen zerstört wurden, könnten auch in Italien stehen. Aber Paris? Klar, es leben noch ein paar Tausend Franzosen in Beirut. Aber deswegen ist Beirut kein Paris.

Allein deshalb nicht, weil es momentan von Stacheldraht eingezäunt ist. Panzer, Sicherheitspersonal, libanesische Armee, private Armee, die Innenstadt komplett abgeriegelt, man kann sich sehr leicht unwohl fühlen in der Hauptstadt. Schon seit zehn Monaten veranstalten Oppositionelle unweit des Parlaments in der Innenstadt ein Zeltlager, nur wenige trauen sich in die Stadt. Zwar haben die Läden teilweise geöffnet, aber Kundschaft verliert sich nicht. Im berühmten Phoenician Inter-Conti-Hotel tagen derzeit die Abgeordneten und versuchen, sich auf einen neuen Präsidenten zu einigen.

Dieses Hotel ist abgeriegelt wie ein Hochsicherheits-Gefängnis. Denn die Abgeordneten schweben in Lebensgefahr. „One night at home, dead“, weiß unser Hotelier. Dementsprechend nervös ist auch das Militär. Fotografieren verboten, Stehenbleiben verboten, parkende Autos sind auch nicht erlaubt. Doch den Beirutis scheint dies alles egal zu sein. Sie gehen feiern, im Universitätsviertel geht alles seinen studentischen Gang. Man sitzt im Café, scherzt, lässt es sich gut gehen. Für uns sieht es so aus, als hätte man sich im Ausnahmezustand eingerichtet.

Wohler fühlen wir uns in unserem Zielprojekt. Der Insan School. Insan bedeutet übrigens einfach nur so viel wie ‚Mensch’ auf arabisch. Und es geht sehr menschlich zu im Projekt. Wir werden total nett empfangen, die Kinder haben ‚Herzlichen Willkommen’ auf einzelne DIN-A-4-Blätter gemalt und jedes Kind hält bei unserer Einfahrt auf den Schulhof einen Buchstaben hoch. „Herz-lich will-kom-men“, tönt es aus 60 Kehlen, die eigentlich alle des Deutschen nicht mächtig sind. Doch diesen Satz haben sie einstudiert. Die Kinder können nicht glauben, dass wir tatsächlich aus Deutschland mit dem Rad gekommen sind. Doch wir können sie überzeugen. Charles Nasrallah, Rektor der Schule und Gründer der ‚Insan Association’, ist ein unglaublich netter Kerl. Etliche Kuchen haben sie gebacken, ein touristisches Programm ausgearbeitet, dass keine Wünsche offen lässt und sie lassen uns keinen Cent bezahlen. So fahren wir nach Byblos und haben in der angeblich ältesten Stadt der Welt ein leckeres Fischmahl, wir sehen die Zedernwälder und die Ruinen von Baalbek.

„Eure Idee ist die beste, die ich je gehört habe, um Spenden zu sammeln“, sagt er. Das Projekt kann das Geld gut gebrauchen, denn zu den 50 Kindern, die momentan auf einen Regelschulbesuch vorbereitet werden, kommen noch einmal knapp 20 neue Kinder – Flüchtlinge aus dem Irak. Die meisten Kinder kommen momentan noch aus dem Sudan. Sie sind allesamt illegal da. Außer Insan School kümmert sich niemand um sie. Auch das Lehrerteam ist international. Iraker, Armenier, auch Sudanesen, Franzosen, eine Deutsche und natürlich einige Libanesen unterrichten hier, teilweise freiwillig.

Insan School erhält Geld von der Caritas aus Österreich und ist auf Spenden angewiesen. Wir können versichern, dass Charles Nasrallah und seine Leute super Arbeit leisten. Ohne ihn würden viele Kinder in Beirut ohne Zukunft in den Vierteln auf der Straße leben. In den vergangenen beiden Jahren haben 20 seiner Kinder den Sprung auf eine normale Schule und somit vielleicht in ein normales Leben geschafft.