Durch den Norden Bulgariens

Bulgarien ist lustig. Schon beim Grenzübertritt kann man sich das Schmunzeln kaum verkneifen. „Schön willkommen in Bulgarien“ heißt es da auf einem Schild. Ansonsten kann man erst mal nicht viel lesen, weil das Kyrillische das dem unvorbereiteten Touristen verwehrt. Macht aber nix, gucken reicht völlig aus. Das erste, was auffällt, ist die nagelneue Straße, die direkt ab der Grenze – seit 2007 ja eine EU-Außengrenze – wie ausgerollt vor uns liegt. Links und rechts der Straße und auf ihr selbst geht alles seinen gewohnten alten Gang, da sitzen Frauen am Straßenrand und schälen vor halbzerfallenen Häusern Kartoffeln, aber die Straße ist mit frischen EU-Mitteln einfach so ungefragt über Bulgarien ausgeschüttet worden. Als ob die Brüsseler Bürokraten nach dem Motto „Straße gut – alles gut“ handelten. Wir wissen jetzt: So schafft man unter den Bürgern keine Begeisterung für die EU.

Auf der Straße dann keine Autos, nicht mal Traktoren. In Bulgarien, zumindest im relativ armen und von Roma besiedelten Norden herrschen noch Pferde- und Eselskarren. Bei den Spritpreisen eine attraktive Alternative. Die Leute sind unfassbar freundlich und winken uns allesamt zu. Wir radeln mittlerweile zu fünft durch die Gegend, drei Freunde aus Köln sind für eine Woche bei uns. Das macht dann schon was her – so ein kleines Peloton, das an der Donau entlang eilt.

Wir eilen wirklich, weil einer der Fünf sich immer gerade gut fühlt und meint, das Tempo erhöhen zu müssen. So hetzen wir durch einen superschönen Nationalpark am bulgarischen Donauufer. Alte Dörfer mit noch älteren Einwohnern ziehen an unserem Augenwinkel vorbei, wir halten nicht an – wir müssen weiter. Mal geht es vom Fluss weg, über einen kleinen Bergkamm. Von da genießt man tolle Blicke auf das andere Ufer des Flusses, Rumänien.

Wir übernachten in einem Hotel von altem sozialistischen Schrot und Korn. In Bestlage und in den besten Tagen des Kommunismus erbaut, gibt sich das Hotel nun ganz westlich. Klappt aber nicht ganz. Denn die Band, die am Abend im riesigen Essenssaal spielt, haut super Balkan-Musik raus. Akkordeon und Blasinstrumente, dazu bunte Trachten wie bei Karl Moik, aber die Musi ist so schnell, ein Musikantenstadl in der Frankfurter Festhalle wäre in zehn Minuten von allen Omas geräumt. Hier geht’s ab. Leider sind wir von unserer Fahrrad-Hetzerei viel zu müde um dem Treiben bis zum bitteren Ende (Sliwowitz) beizuwohnen.

Bulgarische Städte locken mit ihrem Ost-Charme. Große Statuen auf geräumigen Plätzen in relativ hässlichen Fußgängerzonen. So in etwa geht es zu sowohl in Vidin wie auch in Montana. Die Bulgaren haben scheinbar einen extremen Aufholbedarf, was das Shopping angeht. In Blagoevgrad, einer Studentenstadt südlich von Sofia, denkt man, man sei auf der Düsseldorfer Kö gelandet. Nobelladen reiht sich an Schickymicky-Cafe, dann wieder eine Lounge und ein Levi’s-Store und ein Cafe und noch ein Cafe, das dann vielleicht neben einer seelenlosen weiteren Lounge steht. Dazu dröhnen stumpfe Elektro-Beats viel zu laut aus den viel zu großen Boxen. Furchtbar. Eine Stadt wie aus dem Kapitalismus-Katalog. Wahrscheinlich erbaut in drei Tagen. Ihr wollt shoppen? Sollt ihr haben. Da. H&M rules the world.

Sehr seltsam, man fragt sich, wenn man die Gehälter der Bulgaren anschaut, wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Ein Lehrer verdient 140 Euro im Monat, eine Krankenschwester 130. Die tollen Adidas-Schuhe im Schaufenster kosten aber 60 Euro, ähnlich wie bei uns. Ehrlicher geht es auf dem Markt in Sofia zu. Hier gibt es alles und hier ist es auch bezahlbar. Mir hat es vor allem der Süßkram angetan. Für einen Euro kann man sich hier durch die gesamte Süßspeisen-Palette wühlen. Wahnsinn. Bulgaren sind echte Dessert-Künstler, was die alles zum Beispiel aus Honig machen, also, das ist lecker. Das Essen ist überhaupt spitze, wenn auch der Vegetarier das große Jammern anfangen wird. Basis des Essens ist Fleisch.

Empfehlenswert ist aber auch ein Shopska-Salat, der aus Tomaten, Gurken und Schafskäse besteht. Das Tolle daran ist, die Tomate schmeckt noch nach Tomate, die Gurke nach Gurke und den Schafskäse, den man dort angeboten bekommt, sucht man in Deutschland vergebens.

Vergebens sucht man auch ein Kloster wie das Rilski Manastir. Es liegt umgeben von 2.700 m hohen Bergen und ist schön, dass es schon wieder kitschig ist. Ich denke, wenn Disney-World ein neues Disneyland in Bulgarien eröffnen möchte, nimmt es einfach als Basis das Kloster, steckt die Mönche in Mickey-Mouse-Kostüme, und fertig ist die schöne heile wundervolle Disney-Welt. Tatsächlich ist das Kloster schon 1.000 Jahre alt und ist umgeben von einer sagenhaften Natur.

Weniger sagenhaft ist die Natur, wenn man sich Richtung Schwarzes Meer aufmacht, aber davon erzählen wir euch das nächste Mal.